Neben der Fähigkeit zur Selbstregulation ist jedes Lebewesen und somit jedes System fähig, wahrzunehmen und zu unterscheiden, was es für relevant und überlebensnotwendig und was es für unbrauchbar oder gar schädlich hält. Das ist äusserst wichtig, da alle Systeme ständig miteinander in Wechselwirkung stehen. Damit die biologischen Systeme gut funktionieren können, benötigen sie beispielsweise Energie in Form von Nahrung von aussen. Oder durch den Austausch mit anderen Menschen und sozialen Systemen lernen wir neue Dinge und entwickeln uns weiter. Ein passender und sinnbringender Austausch zwischen den Systemen ist unerlässlich für die Erfüllung der Bedürfnisse eines Systems.
Wie bereits im ersten Teil erwähnt, nutzen die jeweiligen Systeme unterschiedliche Arten der Kommunikation. Dadurch kann es sein, dass die Bedürfnisse der verschiedenen Systemebenen nicht immer voneinander verstanden werden. So passiert es oft, dass der Kopf nicht so genau versteht, was der Körper von ihm will. In akuten Situationen gelingt uns dies meistens sehr gut. Hingegen ist es in Situationen schwieriger, welche sich schleichend aufbauen und bereits länger bestehen.
Daher kann man auch über Beziehungen zwischen den Systemen sprechen. Eine gute und ausgeglichene Beziehung unterstützt die Erhaltung, die Selbstregulation und die Entwicklung der jeweiligen Systeme.
Beziehung Körper und soziales Umfeld
Im Beispiel von Teil 1 ging es um den Einfluss der Psyche auf den Körper. Aber auch Einflüsse aus den sozialen Systemen oder der Umwelt eines Menschen können Auswirkungen auf die biologischen Systeme haben. Diese wirken sich zuerst auf die darunterliegende Ebene aus, d.h. auf die Psyche. Beispielsweise kann eine erhöhte Arbeitslast aufgrund von Personalmangel oder veränderte Vorgaben der Vorgesetzten als belastend empfunden werden. Die Psyche reagiert auf diese Umweltveränderungen, indem sie sich und ihren Körper zum Beispiel dazu antreibt, länger und intensiver zu arbeiten. Diese Veränderungen nehmen dann die biologischen Systeme wahr und unterscheiden, ob sie diese als günstig oder ungünstig einschätzen. Ungünstige Störungen für den Körper können von den biologischen Systemen eine gewisse Zeit kompensiert werden. Verspannungsschmerzen, Schlafprobleme oder erhöhte Cortisolwerte im Blut können Anzeichen solcher Kompensationen sein. Werden die selbstregulierenden und aufrechterhaltenden Funktionen des Körpers jedoch zu lange und zu stark gestört, brauchen sie Hilfe von aussen bzw. von anderen Systemen und treten in einen Austausch mit unserem Bewusstsein. Unangenehme körperliche Empfindungen wie Schmerzen lassen uns dann bewusst spüren, dass dem Körper etwas nicht passt.
Veränderungen können aus der biologischen Ebene selbst, als auch aus der psychischen, sozialen und Umweltebene kommen. Sehr oft sind mehrere Ebenen gleichzeitig betroffen. Der Körper nimmt das wahr und bewertet diese Einflüsse. Werden sie als bedrohlich oder gar schädlich eingeschätzt, kann er mit körperlichen Signalen darauf reagieren. Schmerzen als Körpersignale erfüllen daher eine wichtige Schutzfunktion für uns.
In einem solchen systemtheoretischen Verständnis können Schmerzen als Warnung oder Hilferuf von den biologischen Systemen an die Psyche des Menschen verstanden werden.
Chronisch gewordene Schmerzen können daher auch ein Ausdruck für eine nicht funktionierende Beziehung oder Kommunikation zwischen Körper und Kopf sein, wobei diese einander nicht verstehen können oder nicht verstehen wollen.
Inputs von: Seemann Hanne (2018) & Hemmelmayr Bettina (2018)